26.02.2013
Leistungspflicht
der gesetzlichen Krankenversicherung für neue
Behandlungsmethoden
Bietet
die Schulmedizin nur noch palliative Therapien an, weil sie
jede Möglichkeit kurativer Behandlung als aussichtslos
erachtet, kommt die Leistungspflicht für eine
Alternativbehandlung nur dann in Betracht, wenn die auf
Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative
Standardtherapie hinausreichenden Erfolg besteht. Rein
experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch
hinreichende Indizien gestützt sind, reichen hierfür nicht.
Mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung
mit dem Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs.
2 S. 1 GG ist es in der extremen Situation einer
krankheitsbedingten Lebensgefahr jedoch nicht zu vereinbaren,
Versicherte auf eine nurmehr auf die Linderung von
Krankheitsbeschwerden zielende Standardtherapie zu verweisen,
wenn durch eine Alternativbehandlung eine nicht ganz entfernte
Aussicht auf Heilung besteht.
Beschluss
des BVerfG vom 26.02.2013 –
1 BvR 2045/12 -
14.07.2011
Berufsgerichtliche
Verurteilung wegen Verwendung der Bezeichnung "Zahnärztehaus"
Die
Verwendung der Bezeichnung "Zahnärztehaus" für
eine in einem Haus tätige zahnärztliche Gemeinschaftspraxis
als Werbemaßnahme kann nicht als solche, sondern erst dann
berufswidrig sein, wenn dies als irreführende oder als
sachlich unangemessene Werbung einzustufen ist. Das Grundrecht
der freien Berufsausübung erfordert dabei die
Nachvollziehbarkeit der fachgerichtlichen Bewertung dieser
Bezeichnung als berufswidrig.
Beschluss
des BVerfG vom 14.07.2011
– 1 BvR 407/11 -
01.06.201
Verfassungsrechtliche
Grenzen des Werbeverbots für Zahnärzte
1.
Es gibt keine
Gründe des Gemeinwohls, die ein generelles Verbot der
Verbindung zahnärztlicher und gewerblicher, einen Bezug zur
Zahnarztpraxis aufweisender Tätigkeit im Bereich der Werbung
rechtfertigen können (hier entschieden für ein
zahntechnisches Labor und einen auf zahnärztliche Literatur
spezialisierten Verlag).
2.
Die
Auffassung, eine –
wahrheitsgemäße und nicht irreführende –
Werbung für den Digitalen Volumentomographen im Internet sei
schon auf Grund der Art der Präsentation berufswidrig, ist
verfassungsrechtlich nicht haltbar. Von Verfassungs wegen
nicht zu beanstanden ist es allerdings, die Erwähnung der
Herstellerfirma des Tomographen als berufswidrig einzustufen.
3.
Es begegnet
keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, die Bezeichnung
"Zahnarzt für Implantologie" (auch mit dem Zusatz „Master
of Science“)
in einer zahnärztlichen Werbung als irreführend und damit
als berufswidrig anzusehen.
4.
Es ist mit Art.
12 Abs. 1 GG nicht vereinbar, die von einem Zahnarzt zu
Werbezwecken durchgeführte Verlosung von Preisen (Gutscheine
für ein "Bleaching", eine Zahnreinigung, einen
Patientenratgeber und Zahnbürsten) allein mit der Begründung
als gegen die zahnärztlichen Berufsregeln verstoßend
einzustufen, bei der Verlosung handle es sich um eine für die
gewerbliche Wirtschaft typische Werbemethode. Offen bleibt, ob
das berufsrechtliche Verbot der Verlosung eines Gutscheins für
ein "Bleaching" wegen dessen möglicher
gesundheitlicher Risiken verfassungsrechtlich zu rechtfertigen
ist.
Beschluss
des BVerfG vom 01.06.2011 - 1
BvR 233/10, 1 BvR 235/10 -
08.12.2010
Teilnahme
eines Zahnarztes an einem dem Preisvergleich dienenden
Internetportal
1.
Es ist nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG zu vereinbaren, bereits das
Fehlen einer persönlichen Untersuchung des Patienten vor der
Abgabe einer Kostenschätzung im Internet durch einen Zahnarzt
als Verletzung einer Berufspflicht zu beurteilen, ohne Gründe
des Gemeinwohls zu nennen, die eine solche Untersuchung im
konkreten Fall schon im Stadium der Anbahnung der
Arzt-Patienten-Beziehung gebieten.
2.
Allein die Wahl des Mediums Internet erlaubt es vom Grundsatz
her nicht, die Grenzen erlaubter Außendarstellung von
freiberuflich Tätigen enger zu ziehen.
3.
Es ist nicht mit Art. 12Abs. 1 GG vereinbar, eine im Internet
abgegebene Kostenschätzung eines Zahnarztes generell als
berufsrechtswidrige Werbung iSv §
21 Abs. 1 der Berufsordnung für Zahnärzte der Landeszahnärztekammer
Baden-Württemberg zu qualifizieren.
4.
Die von einem Zahnarzt als Gegenleistung für die Nutzung
einer der Anbahnung von Arzt-Patienten-Kontakten dienenden
Internetplattform gezahlte Provision stellt bei
verfassungskonformer Auslegung der Berufsordnung für Zahnärzte
der Landesärztekammer Baden-Württemberg kein unzulässiges
Entgelt für die Vermittlung oder Zuweisung von Patienten dar.
Beschluss
des BVerfG vom 08.12.2010 - 1 BvR 1287/08 -
06.07.2010
Zur
Berücksichtigung der Aufwendungen für ein häusliches
Arbeitszimmer im Einkommensteuerrecht
§ 4
Abs. 5 Satz 1 Nummer 6b des
Einkommensteuergesetzes in der seit Inkrafttreten des Steueränderungsgesetzes
2007 vom 19. Juli 2006 (Bundesgesetzblatt I Seite 1652)
geltenden Fassung ist mit Artikel 3 Absatz 1 des
Grundgesetzes unvereinbar, soweit das Abzugsverbot
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auch dann
umfasst, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit
kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.
Urteil
des BVerfG vom 06.07.2010 - 2 BvL 13/09 -
02.07.2010
Eintragung
einer Lebenspartnerin in Geburtsurkunde
Es
werden keine Grundrechte der in einer eingetragenen
Lebenspartnerschaft lebenden Partnerinnen verletzt, wenn die
Eintragung der einen Partnerin in die Geburtsurkunde des von
der anderen Partnerin während der Partnerschaft geborenen
Kindes ohne vorherige Adoption abgelehnt wird.
Beschluss
des BVerfG vom 02.07.2010 - 1 BvR 666/10 -
08.04.2010
Anordnung
der sofortigen Vollziehung des Widerrufs einer Approbation
wegen Unwürdigkeit
1.
Die Auffassung, in Fällen
der offensichtlichen Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer
Approbation wegen nachträglicher Unwürdigkeit sei die Verhältnismäßigkeit
der Anordnung der sofortigen Vollziehung dieser Entscheidung
regelmäßig und ohne Abwägung zwischen dem Gemeinschaftsgut
Schutz des Vertrauens in die Ärzteschaft einerseits und dem
grundrechtlich geschützten Interesse des Betroffenen unter
Berücksichtigung der Einzelfallumstände andererseits zu
bejahen (vgl. VGH Mannheim, NJW 2010, 692),
ist mit dem Grundrecht
auf Berufsfreiheit nicht vereinbar.
2.
Die Annahme der Unwürdigkeit eines Arztes iSv §
5 Abs. 2 Satz 1 iVm § 3 Abs.
1 Satz 1 Nr. 2 BÄO als Voraussetzung für den Widerruf
der Approbation ersetzt nicht in verfassungsrechtlich
haltbarer Weise die Feststellung einer konkreten Gefahr für
wichtige Gemeinschaftsgüter durch eine weitere Berufstätigkeit
bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens
als Voraussetzung für die Anordnung des Sofortvollzugs.
3.
Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art.
19 Abs. 4
GG wird verletzt, wenn im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung
der Anordnung des Sofortvollzugs eines Approbationswiderrufs
die Annahme einer konkreten Gefahr für Gemeinschaftsgüter während
der Dauer des Hauptsacheverfahrens verfassungsrechtlich
unhaltbar begründet und die Abwägung der gegenläufigen
Interessen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung den
verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht wird.
Beschluss
des BVerfG vom 08.04.2010 - 1
BvR 2709/09 -
09.02.2010
Menschenwürdiges
Existenzminimum
1.
Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit
dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert
jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen
zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß
an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen
Leben unerlässlich sind.
2.
Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht
in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem
absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf
Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung.
Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst
werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen
Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden
Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des
Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen
auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu.
3.
Zur Ermittlung des Anspruchumfangs hat der Gesetzgeber alle
existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und
sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie
nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und
schlüssiger Berechnungsverfahren zu bemessen.
4.
Der Gesetzgeber kann den typischen Bedarf zur Sicherung des
menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen
Festbetrag decken, muss aber für einen darüber
hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen,
besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen.
Urteil
des BVerfG vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09
-
27.02.2009
Leistungen
der gesetzlichen Krankenversicherung bei künstlicher
Befruchtung
1.
Die seit dem 01.01.2004 geltende Begrenzung der Leistungen der
gesetzlichen Krankenversicherung bei medizinischen Maßnahmen
zur künstlichen Befruchtung auf einen Zuschuss von 50 % (§
27 a Abs. 3 Satz 3 SGB V) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
2.
Der Begriff der Krankheit kann nicht durch Auslegung
dahingehend erweitert werden, dass er auch den Wunsch nach
einer erfolgreichen Familienplanung in einer Ehe umfasst. Die
künstliche Befruchtung beseitigt keinen regelwidrigen körperlichen
Zustand, sondern umgeht ihn mit Hilfe medizinischer Technik,
ohne auf dessen Heilung zu zielen.
Beschluss
des BVerfG vom 27.02.2009 – 1 BvR 2982/07 -
05.12.2008
Eingriff
in das Recht auf Vornamenswahl – "Kiran"
1.
Das Recht der Eltern auf grundsätzlich freie Wahl des
Vornamens ihres Kindes wird nicht dadurch begrenzt, dass nur
die Wahl eines geschlechtsbezogenen Namens zulässig ist.
2.
Soweit dem Vornamen für die Persönlichkeit des Kindes
Bedeutung zukommt, weil er dem Kind hilft, seine Identität zu
finden und seine Individualität zu entwickeln, ist von einer
Gefährdung des Kindeswohls allenfalls dann auszugehen, wenn
der gewählte Vorname dem Kind offensichtlich und nach keiner
Betrachtungsweise die Möglichkeit biete, sich anhand des
Vornamens mit seinem Geschlecht zu identifizieren (hier
verneint für den Vornamen "Kiran").
Beschluss
des BVerfG vom 05.12.2008 – 1 BvR 576/07 -
26.02.2008
Materieller
Gehalt des Elternrechts
Der
rechtliche Vater eines Kindes, der für dieses
Elternverantwortung wahrnimmt, ist Träger des Rechts aus Art.
6 Abs. 2 Satz 1 GG (im Anschluss an BVerfGE 24, 119 = NJW
1968, 2233).
Beschluss
des BVerfG vom 26. 2. 2008
- 1 BvR 1624/06 -
19.02.2008
Werbung
– Versteigerung von anwaltlichem Rechtsrat über ein
Internetauktionshaus
1.
Die Versteigerung von anwaltlichen Beratungsleistungen auf
einer Internetplattform ist nicht berufsrechtswidrig.
2.
Eine auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtete
Werbung liegt nicht vor, da die Werbung des RA schon mangels
Kenntnis vom potentiellen Mandanten und dessen Beratungsbedarf
nicht auf die Erteilung eines Mandats im Einzelfall gerichtete
ist.
3.
Mit Blick auf die Berufsausübungsfreiheit kann ein Verbot der
Versteigerung anwaltlicher Beratungsleistungen in einem
Internetauktionshaus auch nicht auf die Bewertung als eine –
der form nach oder aufgrund des Inhalts – unsachliche
Werbung gestützt werden. Die Werbung über eine solche
passive Darstellungsplattform belästigt regelmäßig nicht
und drängt sich keiner breiten Öffentlichkeit unvorbereitet
auf.
4.
Die Wahl des Mediums Internet rechtfertigt es nicht, die
Grenzen erlaubter Außendarstellung von freiberuflich Tätigen
enger zu ziehen.
5.
Die Versteigerung von Beratungsleistungen über ein
Internetauktionshaus deutet zudem weder auf eine Vernachlässigung
von anwaltlichen Berufspflichten hin, noch gefährdet es die
ordnungsgemäße Berufsausübung. Eine Berufswidrigkeit ergibt
sich auch nicht vor dem Hintergrund, dass durch
Internetauktionen der Anschein erweckt werden kann, es handelt
sich bei anwaltlichen Beratungsleistungen um eine nominierte
Handelsware und dem Anwalt komme es auf die Erzielung eines
maximalen Gewinns an.
Beschluss
des BVerfG vom 19.02.2008 – 1 BvR 1886/06 -
21.01.2008
Verhältnismäßigkeit
der Durchsuchung einer Arztpraxis
1.
Der besondere Schutz von Berufsgeheimnisträgern (§ 53 StPO)
gebietet bei der Anordnung der Durchsuchung einer Arztpraxis
die besonders sorgfältige Beachtung der
Eingriffsvoraussetzungen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.
2.
Der Richter darf die Untersuchung dieser Praxis nur anordnen,
wenn er sich auf Grund eigenverantwortlicher Prüfung der
Ermittlungen überzeugt hat, dass die Maßnahme verhältnismäßig
ist.
Beschluss
des BVerfG vom 21.01.2008 - 2 BvR 1219/07 -
28.02.2007
Leistungen
der Krankenversicherung bei künstlicher Befruchtung
1.
Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, dass § 27 a Abs. 1 Nr.
3 SGB V die Leistung medizinischer Maßnahmen zur
Herbeiführung einer Schwangerschaft (künstliche Befruchtung)
durch die gesetzliche Krankenversicherung auf Personen
beschränkt, die miteinander verheiratet sind.
2.
Art. 6 Abs. 1 GG kann - auch in Verbindung mit dem
Sozialstaatsprinzip - keine verfassungsrechtliche
Verpflichtung des Gesetzgebers entnommen werden, die
Entstehung einer Familie durch medizinische Maßnahmen der
künstlichen Befruchtung mit den Mitteln der gesetzlichen
Krankenversicherung zu fördern.
3.
Der Schutzauftrag von Art. 2 Abs. 2 S. 1 und Art. 6 Abs. 5 GG
erfasst nicht Kinder, die noch nicht gezeugt sind.
Urteil
des BVerfG vom 28.02.2007 - 1 BvL 5/03 -
28.03.2006
Berücksichtigung
von Mutterschutzzeiten bei Arbeitslosenversicherung
Es
ist mit Art. 6 Abs. 4 GG unvereinbar, wenn Zeiten, in denen
Frauen wegen der mutterschutzrechtlichen
Beschäftigungsverbote ihre versicherungspflichtige
Beschäftigung unterbrechen, bei der Berechnung der
Anwartschaftszeit in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung
nicht berücksichtigt werden.
Beschluss
des BVerfG vom 28.03.2006 - 1 BvL 10/01 -
09.01.2006
Recht
auf Einsicht in Krankenunterlagen
1.(...)
2.
Der grundsätzliche Anspruch des Patienten auf Einsicht in die
ihn betreffenden Krankenunterlagen hat seine Grundlage
unmittelbar im grundrechtlich gewährleisteten
Selbstbestimmungsrecht des Patienten und muss daher nur
zurücktreten, wenn ihm entsprechend wichtige Belange
entgegenstehen.
3.
Der Patient hat generell ein geschütztes Interesse daran, zu
erfahren, wie mit seiner Gesundheit umgegangen wurde, welche
Daten sich dabei ergeben haben und wie man die weitere
Entwicklung einschätzt.
4.
(...)
5.
(...)
Beschluss
des BVerfG vom 09.01.2006 - 2 BvR 443/02 -
13.07.2005
Kein
Werbeverbot bei sachlicher Information über
Behandlungsmethoden
Werden
in der Presse Artikel veröffentlicht, die vordergründig
Informationen über Behandlungs- und Operationsmethoden geben
und besteht an diesen sachlichen Informationen eine
anerkennenswertes Allgemeininteresse, so ist eine
Kommerzialisierung zu vermeiden. Ein Verstoß gegen das
Werbeverbot nach § 27 Abs. 3 der Berufsordnung für Ärzte
Bayerns kann daher nicht bejaht werden.
Beschluss
des BVerfG vom 13.07.2005 - 1 BvR 191/05 -
29.04.2004
Zulässige
Werbung eines Zahnarztes in Tageszeitung
1.
Ein Zahnarzt, der in einer Tageszeitung (6 x 4 cm) mit einem
im linken oberen Rand abgebildeten halben geöffneten Mund
wirbt, handelt nicht berufsrechtswidrig. Es ist nicht
ersichtlich, aus welchen Gründen Gemeinwohlbelange, die eine
Untersagung rechtfertigen, einer solchen Werbung
entgegenstehen.
2.
(...)
Beschluss
des BVerfG vom 29.04.2004 - 1 BvR 649/04 -
28.01.2004
Begrenzung
der Anzahl der Vornamen für ein Kind
1.
Der Staat ist in Wahrnehmung seines Wächteramts nach Art. 6
Abs. 2 Satz 2 GG verpflichtet, das Kind als Grundrechtsträger
vor verantwortungsloser Namenswahl durch die Eltern zu
schützen.
2.
Das von Art. 6 Abs. 2 GG umfasste Recht der Eltern, ihrem Kind
(einen) Vornamen zu geben, findet dort seine Grenze, wo die
Namensbestimmung dem Kindeswohl widerspricht. Das ist etwa
dann der Fall, wenn die Vornamen durch ihre Anzahl (hier:
zwölf) und ihre ungewöhnliche Schreibweise erheblich
belästigenden Charakter für das Kind hätten und die
Selbstidentifikation des Kindes nicht mehr gewährleistet ist.
3.
(...)
Beschluss
des BVerfG vom 28.01.2004 - 1 BvR 994/98 -
08.11.2003
Arbeitgeberzuschuss
zum Mutterschaftsgeld - § 14 Abs. 1 MuSchG verfassungswidrig
1.
Die gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur
Zahlung eines Zuschusses zum Mutterschaftsgeld ist an der
Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG zu messen (Abweichung von
BVerfGE 37, 121 [131] = NJW 1974, 1461).
2. Art. 6 Abs. 4 GG begründet keine verfassungsrechtliche
Pflicht des Staates, die Kosten des Mutterschutzes allein zu
tragen.
3. Der Gesetzgeber kann im Rahmen seines
Gestaltungsermessens entscheiden, wie er dem Gebot des Art. 3
Abs. 2 GG nachkommt. Legt der Gesetzgeber in Erfüllung seines
Schutzauftrags zu Gunsten der Mutter dem Arbeitgeber Lasten
auf, ist durch geeignete Regelungen im Rahmen des Möglichen
der Gefahr zu begegnen, dass sich Schutzvorschriften auf
Arbeitnehmerinnen faktisch diskriminierend auswirken.
4. § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG verstößt gegen Art. 12 Abs.
1 GG. Der Gesetzgeber hat bis zum 31.12.2005 eine verfassungsmäßige
Regelung zu treffen.
Beschluss des BVerfG
vom 18.11.2003 – 1 BvR 302/96 -
26.09.2003
Zulässige Werbung für
eine zahnärztliche Klinik
1. Für Kliniken gelten nicht die gleichen Werbebeschränkungen
wie für niedergelassene Ärzte. Die Anwendung der
wettbewerbsrechtlichen Störerhaftung auf kleinere Kliniken
ist mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren.
2. Konkurrentenschutz und Schutz vor Umsatzverlagerungen
sind keine legitimen Zwecke, die Einschränkungen der
Berufsausübungsfreiheit rechtfertigen. Der Versuch, durch
berufsbezogene und sachangemessene Werbung Patienten zu Lasten
der Konkurrenz zu gewinnen, ist als solcher nicht
berufswidrig.
Beschluss des BVerfG vom 26.09.2003 – 1 BvR 1608/02
-
26.08.2003
Werbung von Zahnärzten
im Internet und in den "Gelben Seiten"
1. Berufsrechtliche Werbeverbote sind verfassungskonform
dahingehend auszulegen, dass nur die berufswidrige Werbung zulässig
ist. Die Wahl des Mediums Internet rechtfertigt es nicht, die
Grenzen für die erlaubte Außendarstellung enger zu ziehen,
zumal sich Internetwerbung als passive Darstellungsform nicht
unaufgefordert potenziellen Patienten aufdrängt, sondern von
diesen erst aktiv aufgerufen werden muss.
2. In das Internet eingestellte Informationen über den
beruflichen Werdegang des Arztes, seine Praxiserfahrungen und
seine Erfahrungen in einem bestimmten Behandlungsgebiet sind
sachangemessen und entsprechen einem legitimen
Informationsinteresse und ‑bedürfnis des Patienten.
3. Eine berufsrechtliche Vorschrift, die es einem Zahnarzt
verbietet, mit Gebietsbezeichnungen zu werden, die von der
Zahnärztekammer noch nicht als solche anerkannt sind, verstößt
jedenfalls dann gegen Art. 12 Abs. 1 GG, wenn beachtenswerte
Gemeinwohlbelange für ein derartiges Verbot nicht ersichtlich
sind.
4. Der wahrheitsgemäße Hinweis eines Zahnarztes auf das
Betätigungsfeld der Implantologie in den "Gelben
Seiten" stellt für den Patienten, der sich einer solchen
Behandlung unterziehen will, einen wertvollen Suchhinweis im
Telefonbuch dar. Es handelt sich somit nicht um berufswidrige
Werbung, sondern um interessengerechte und sachangemessene
Information, die auch unter Beachtung der Gemeinwohlbelange
zulässig ist.
Beschluss des BVerfG vom 26.08.2003 – 1 BvR 1003/02
-
17.07.2003
Zulässige
Internetwerbung einer Klinik
1. § 12 Abs. 2 Satz 1 HWG sowie § 27 der Berufsordnung
der Landesärztekammer Baden-Württemberg in der Fassung vom
14.01.1998 sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
2. Ausführungen zur Beschreibung einer Klinik auf deren
Homepage im Internet werden dem Informationsbedürfnis
derjenigen Patienten gerecht, die eine Behandlung ins Auge
gefasst haben und sich über die denkbaren Behandler
informieren, bevor sie eine Entscheidung treffen.
Beschluss des BVerfG vom 17.07.2003 – 1 BvR 2115/02
-
09.04.2003
Rechtsstellung des so
genannten biologischen Vaters
1. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schützt den leiblichen, aber
nicht rechtlichen Vater (so genannter biologischer Vater) in
seinem Interesse, die rechtliche Stellung als Vater
einzunehmen. Ihm ist verfahrensrechtlich die Möglichkeit zu
eröffnen, die rechtliche Vaterposition zu erlangen, wenn dem
der Schutz einer familiären Beziehung zwischen dem Kind und
seinen rechtlichen Eltern nicht entgegensteht.
2. Auch der biologische Vater bildet mit seinem Kind eine
von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Familie, wenn zwischen ihm
und dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung besteht. Der
Grundrechtsschutz umfasst auch das Interesse am Erhalt dieser
Beziehung. Es verstößt gegen Art. 6 Abs. 1 GG, den so mit
seinem Kind verbundenen biologischen Vater auch dann vom
Umgang mit dem Kind auszuschließen, wenn dieser dem Wohl des
Kindes dient.
3.
(...)
Beschluss des BVerfG
vom 09.04.2003 – 1 BvR 1493/96 u.a.-
17.12.2002
Festbeträge für
Arznei-, Heil- und Hilfsmittel
Die in den §§ 35 und 36 SGB V enthaltene Ermächtigung
der Krankenkassenverbände, für Arznei- und Hilfsmittel
Festbeträge festzusetzen, ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Urteil des BVerfG vom
17.12.2002 – 1 BvL 28/95 u.a. -
02.08.2001
Betreuung
eines Zeugen Jehovas
Die
vorläufige Bestellung eines Betreuers zur Zustimmung zur Gabe
von Bluttransfusionen bei einem Angehörigen der Zeugen
Jehovas entgegen deren erklärten Willen ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Beschluss
des BVerfG vom 02.08.2001 - 1 BvR 618/93 -
|