Berufsordnung
für Hebammen und Entbindungspfleger (HebBO
NRW)
Vom
6. Juni 2017
Auf
Grund des § 1 Absatz 2 des Landeshebammengesetzes vom 5. März
2002 (GV. NRW. S. 102), der durch Artikel 9 des Gesetzes vom
20. November 2007 (GV. NRW. S. 572) geändert worden ist,
verordnet das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation,
Pflege und Alter:
§
1 - Geltungsbereich
Diese
Berufsordnung gilt für Hebammen und Entbindungspfleger, die
in Nordrhein-Westfalen ihren Beruf ausüben. Sie gilt auch für
Hebammen und Entbindungspfleger, die Staatsangehörige eines
anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines
anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen
Wirtschaftsraum sind und die als Dienstleistungserbringerinnen
und Dienstleistungserbringer im Sinne des Artikels 5 der
Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung der
Berufsqualifikationen (Abl. L 255 vom 30.9.2005, S. 22), die
zuletzt durch Delegierten Beschluss (EU) 2016/790 (Abl. L 134
vom 24.5.2016, S. 135) geändert worden ist, vorübergehend in
Nordrhein-Westfalen tätig sind.
§
2 - Aufgaben
(1)
Hebammen und Entbindungspfleger sind verpflichtet, ihren Beruf
gewissenhaft nach dem jeweiligen Stand der medizinischen,
psychologischen, soziologischen, geburtshilflichen und
hebammenwissenschaftlichen Erkenntnisse unter Berücksichtigung
soziokultureller Unterschiede und der besonderen Belange von
Menschen mit Behinderung auszuüben.
(2)
Hebammen und Entbindungspfleger unterrichten sich über und
beachten die für die Berufsausübung geltenden Vorschriften.
Sie arbeiten interdisziplinär mit anderen Berufsgruppen
zusammen und tauschen sich mit diesen zur Optimierung der
multidisziplinären und berufsgruppenübergreifenden
Versorgungsangebote für Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett
und Stillzeit aus.
(3)
Im Rahmen ihrer Aufgaben führen Hebammen und
Entbindungspfleger insbesondere folgende Tätigkeiten in
eigener Verantwortung aus:
1.
Feststellung der Schwangerschaft und Beobachtung der normal
verlaufenden Schwangerschaft, Durchführung der notwendigen
Untersuchungen zur Beobachtung des Verlaufs einer normalen
Schwangerschaft,
2.
Hilfeleistung bei Schwangerschaftsbeschwerden oder Wehen,
3.
Veranlassung der Untersuchungen, die für eine möglichst frühzeitige
Feststellung einer Risikoschwangerschaft notwendig sind und
Aufklärung über diese Untersuchungen,
4.
Vorbereitung auf die Elternschaft, umfassende Vorbereitung auf
die Geburt einschließlich Beratung in Fragen der Hygiene und
Ernährung,
5.
Betreuung der Gebärenden während der Geburt und Überwachung
des Fötus in der Gebärmutter mit Hilfe geeigneter
technischer Mittel,
6.
Anwendung von und Anleitung zu Maßnahmen zur Infektionsverhütung,
7.
Durchführung normaler Geburten bei Schädellage einschließlich
Dammschnitt, Nähen eines kleinen Dammschnittes oder
unkomplizierten Dammrisses (I. oder II. Grad) sowie im
Dringlichkeitsfall die Durchführung von
Beckenendlagengeburten,
8.
Erkennen der Anzeichen von Anomalien, Regelwidrigkeiten und
Risikofaktoren bei der Mutter oder beim Kind, die ärztliches
Eingreifen erforderlich machen, Hilfeleistung bei etwaigen ärztlichen
Maßnahmen, notwendige eigene Maßnahmen in Abwesenheit einer
Ärztin oder eines Arztes, beispielsweise manuelle Ablösung
der Plazenta einschließlich gegebenenfalls manuelle
Nachuntersuchung der Gebärmutter, Durchführung der
sofortigen Wiederbelebung des Neugeborenen,
9.
Untersuchung, Überwachung und Pflege des Neugeborenen regelmäßig
in den ersten zehn Tagen nach der Geburt, erforderlichenfalls
länger, einschließlich Prophylaxemaßnahmen;
hierzu gehören bei verantwortlicher Leitung der Geburt durch
eine Hebamme oder einen Entbindungspfleger in den Fällen des
§ 16 Absatz 1 Satz 2 und § 19 Absatz 1 Sätze 3 und 4 der
Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Früherkennung
von Krankheiten bei Kindern bis zur Vollendung des 6.
Lebensjahres in der Fassung vom 18. Juni 2015 (BAnz AT
18.08.2016 B1), die zuletzt am 24. November 2016 (BAnz AT
27.01.2017 B5) geändert worden ist, auch Blutentnahmen, sowie
die Aufklärung und die Durchführungsverantwortung bei
Screening-Untersuchungen,
10.
Betreuung der Wöchnerin, Überwachung ihres Zustandes, ihrer
Ernährung und der Rückbildung von schwangerschafts- und
geburtsbedingten körperlichen Veränderungen sowie
Hilfeleistung bei Beschwerden,
11.
Beratung und Anleitung in Pflege und Ernährung des
Neugeborenen, insbesondere Stillberatung und Stillförderung
sowie Hilfeleistung bei Beschwerden,
12.
Durchführung der ärztlich verordneten Behandlung,
13.
Betreuung von Frauen nach einer Tot- oder Fehlgeburt,
14.
Dokumentation der Maßnahmen und Befunde,
15.
Ausstellen von Bescheinigungen im Rahmen der Berufsausübung,
16.
Aufklärung und Beratung in Familienplanung und
17.
qualitätssichernde Maßnahmen.
(4)
Bei der Beratung sind neben medizinischen und
geburtshilflichen auch psychosoziale Faktoren zu berücksichtigen.
Die Schwangere und die Wöchnerin sind zur Mitarbeit zu
gewinnen, ihre Selbstverantwortlichkeit ist zu fördern.
Hebammen und Entbindungspfleger haben Schwangere, Gebärende
und Wöchnerinnen über beabsichtigte Maßnahmen und deren
Folgen aufzuklären.
§
3 - Abgrenzung zur ärztlichen Tätigkeit
(1)
Hebammen und Entbindungspfleger leisten Hilfe bei allen
regelrechten Vorgängen der Schwangerschaft, der Geburt und
des Wochenbetts. Dabei haben sie auf Regelwidrigkeiten und
Risikofaktoren zu achten. Beim Auftreten von Regelwidrigkeiten
oder Risikofaktoren sowie auf Wunsch der Schwangeren, Gebärenden
oder Wöchnerin hat die Hebamme oder der Entbindungspfleger ärztliche
Hilfe hinzuzuziehen oder die Einweisung in ein Krankenhaus zu
veranlassen.
(2)
Das Behandeln pathologischer Vorgänge bei Schwangeren, Gebärenden,
Wöchnerinnen und Neugeborenen ist Ärztinnen und Ärzten
vorbehalten.
(3)
Verlangt eine Ärztin oder ein Arzt von der Hebamme oder dem
Entbindungspfleger eine geburtshilfliche Handlung, die nach
Meinung der Hebamme oder des Entbindungspflegers den
anerkannten Regeln der Geburtshilfe widerspricht, muss die Ärztin
oder der Arzt darauf hingewiesen und der Hinweis dokumentiert
werden.
§
4 - Arzneimittel
(1)
Hebammen und Entbindungspfleger dürfen bei ihrer Berufsausübung
nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel anwenden.
(2)
Hebammen und Entbindungspfleger dürfen ohne ärztliche
Verordnung folgende Arzneimittel anwenden und verabreichen:
1.
in der Eröffnungsperiode ein betäubungsfreies krampflösendes
oder schmerzstillendes Arzneimittel, das zum Einsatz bei der
Geburtshilfe angezeigt ist,
2.
bei bedrohlichen Blutungen in der Nachgeburtsperiode, falls ärztlicher
Beistand oder Einweisung in ein Krankenhaus nicht rechtzeitig
möglich sind, Mittel zur Förderung der Blutstillung,
3.
im Falle einer Dammnaht ein Lokalanästhetikum und
4.
zur Überbrückung einer Notfallsituation wehenhemmende
Mittel bis zur Einweisung in ein Krankenhaus.
§
5 - Schweigepflicht
(1)
Hebammen und Entbindungspfleger unterliegen der
Schweigepflicht (§ 203 des Strafgesetzbuches). Diese umfasst
auch schriftliche Mitteilungen der betreuten Frauen sowie
Untersuchungsbefunde. Die Schweigepflicht gilt auch gegenüber
Angehörigen anderer Gesundheitsberufe, soweit die betreuten
Frauen die Hebammen und die Entbindungspfleger nicht ausdrücklich
von der Schweigepflicht entbunden haben.
(2)
Den betreuten Frauen ist auf Verlangen unentgeltlich Auskunft
oder Einsicht in alle sie betreffenden Unterlagen zu gewähren.
§
6 - Dokumentation und Qualitätssicherung
(1)
Hebammen und Entbindungspfleger haben über die in Ausübung
ihres Berufes getroffenen Feststellungen und Maßnahmen bei
Schwangeren, Gebärenden, Wöchnerinnen und Neugeborenen, über
verabreichte Arzneimittel und, soweit sie außerhalb von
Krankenhäusern tätig sind, über die Schwangerenvorsorge,
den Geburtsverlauf, die Versorgung des Neugeborenen und den
Wochenbettverlauf eine Dokumentation nach § 1 Absatz 2 Nummer
3 des Landeshebammengesetzes vom 5. März 2002 (GV. NRW. S.
102), das zuletzt durch Artikel 12 des Gesetzes vom 14.
Februar 2012 (GV. NRW. S. 97) geändert worden ist, zu führen.
Die Dokumentation ist so abzufassen, dass die gesamte Tätigkeit
während der Schwangerschaft, der Geburt und des Wochenbettes
sowie die Versorgung des Neugeborenen nachvollziehbar ist.
Näheres ergibt sich aus der Anlage.
(2)
Die Dokumentation ist mindestens zehn Jahre aufzubewahren.
(3)
Aufzeichnungen auf elektronischen Datenträgern oder anderen
Speichermedien bedürfen besonderer Sicherungs- und Schutzmaßnahmen,
um deren Veränderung, Vernichtung oder unrechtmäßige
Verwendung zu verhindern.
(4)
Freiberuflich tätige Hebammen und Entbindungspfleger sind
verpflichtet, den unteren Gesundheitsbehörden nach
Aufforderung anhand der Dokumentation gemäß Absatz 1 für medizinal-statistische
Zwecke Auskünfte zu erteilen. Dies darf nur in anonymisierter
Form erfolgen.
(5)
Hebammen und Entbindungspfleger sind verpflichtet, an qualitätssichernden
Maßnahmen insbesondere nach den Kriterien der jeweils
geltenden Versorgungsverträge teilzunehmen.
§
7 - Fortbildung
(1)
Hebammen und Entbindungspfleger haben sich beruflich
fortzubilden. Innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren müssen
der zuständigen Behörde mindestens 60 Unterrichtsstunden
nachgewiesen werden. Hiervon sind 20 Stunden auf dem Gebiet
des Notfallmanagements abzuleisten.
(2)
Geeignete Maßnahmen zur Fortbildung sind
Fortbildungsveranstaltungen von Hebammenverbänden und
staatlich anerkannten Einrichtungen mit Gesamtverantwortung für
die Hebammen und Entbindungspflegerausbildung.
Anbieter von Fortbildungsveranstaltungen können deren Eignung
gegen Gebühr vorab von der unteren Gesundheitsbehörde, in
deren Zuständigkeitsbereich die Veranstaltung oder die erste
von mehreren gleichartigen Veranstaltungen stattfindet, prüfen
lassen.
(3)
Die Fortbildungspflicht nach Absatz 1 ruht auf Antrag bei
1.
Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz in der
Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juni 2002 (BGBl. I S.
2318), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 23.
Oktober 2012 (BGBl. I S. 2246) geändert worden ist,
2.
Elternzeit,
3.
Arbeitsunfähigkeit oder
4.
ruhender Berufstätigkeit
soweit
diese mindestens drei Monate andauern. Darüber hinaus kann
die zuständige Behörde auf Antrag zeitlich begrenzte
Ausnahmen von Absatz 1 zulassen, soweit eine besondere Härte
vorliegt.
§
8 - Besondere Pflichten bei freiberuflicher Tätigkeit
Freiberuflich
tätige Hebammen und Entbindungspfleger sind verpflichtet,
1.
sich an Perinatalerhebungen im
Rahmen von landes- und bundesweiten Qualitätssicherungsmaßnahmen
zu beteiligen,
2.
sich entsprechend ihres Leistungsangebots und -umfangs gegen
Haftpflichtansprüche im Rahmen der beruflichen Tätigkeit zu
versichern und die unteren Gesundheitsbehörden über
Einzelheiten ihrer Berufshaftpflicht zu Beginn der Berufstätigkeit
und danach alle drei Jahre zusammen mit dem Nachweis nach § 7
Absatz 1 zu informieren,
3.
ihre Praxis durch ein Schild zu kennzeichnen, das Namen,
Berufsbezeichnung und Kontaktdaten angibt,
4.
nicht in berufsunwürdiger Weise zu werben,
5.
die von ihnen betreuten Schwangeren, Wöchnerinnen und Mütter
über ihre Erreichbarkeit, die Inanspruchnahme anderer Dienste
im Bedarfs- und Notfall sowie über gegebenenfalls bestehende
Vertretungen aufzuklären und
6.
sicherzustellen, dass die Dokumentation nach § 6 Absatz 1 bei
endgültiger Aufgabe ihrer Berufstätigkeit oder im Falle
ihres Todes verschlossen der zuständigen Behörde übergeben
wird.
§
9 - Aufsicht
Hebammen
und Entbindungspfleger unterliegen der Aufsicht des Kreises
oder der kreisfreien Stadt als untere Gesundheitsbehörde, in
dessen oder deren örtlichen Zuständigkeit die Hebamme oder
der Entbindungspfleger ihren oder seinen Wohnsitz hat. Soweit
der Wohnsitz der Hebamme oder des Entbindungspflegers außerhalb
des Regelungsgebiets dieser Verordnung liegt, ist die Örtlichkeit
der überwiegenden beruflichen Tätigkeit maßgeblich.
§
10 - Inkrafttreten
Diese
Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Gleichzeitig tritt die Berufsordnung für Hebammen und
Entbindungspfleger vom 12. Februar 2015 (GV. NRW. S. 230) außer
Kraft.
Düsseldorf
den 6. Juni 2017
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